„Vom Nichts und dem Dazwischen – Eine philosophisch-kulinarische Annäherung“
Von Elena Paß - Praktikantin 2022
Was passiert, wenn wir uns trauen die Perspektive zu wechseln? Unsere westliche Brille abzunehmen? Eine Welt zu hinterfragen, in der es immer nur entweder oder, richtig oder falsch gibt? Eine Welt, in der Objekt und Subjekt getrennt voneinander betrachtet werden und es damit immer ein Ich oder Du, ein Mein oder Dein, ein Normal oder Anders gibt, die Menschheit oder Ihre Umwelt?
Während der Denkwoche „vom Nichts und dem Dazwischen“, die auf so wundervolle Art und Weise von Fabian Schäfer und Ben Heinrich sowohl philosophisch als auch kulinarisch kuratiert wurde, hatte ich die Möglichkeit genau das zu tun: Meine, unsere Sicht auf die Welt radikal zu hinterfragen, meinen Horizont zu erweitern, zu erkennen, erfühlen, erschmecken, dass es auch anders sein kann. Denn tatsächlich, wer hätte es gedacht, gibt es nicht die eine richtige Art und Weise über uns, die Erde, die Zeit, das Schöne und das Zwischenmenschliche nachzudenken. Vielmehr gibt es so viele andere Erzählungen, Mythen, Lebensweisen, von denen wir unglaublich viel lernen können.
Was wird schon anders sein an der Denkweise in Japan, habe ich mir davor gedacht. Und jetzt danach, bin ich sprachlos, wie unterschiedlich wir Menschen auf die Welt blicken, wie unterschiedlich die Vorstellung von Ästhetik sein kann, wie anders die Betrachtung des Individuums, der Gemeinschaft, des Daseins. So ist es in der japanischen Denktradition vollkommen normal, die Erde und uns Menschen nicht als gegensätzlich-getrennt, sondern gemeinsam zu denken, als Einheit.
Doch so leicht ist es gar nicht, die Sprache, das Nachdenken der anderen zu verstehen. Immer scheint etwas in der Übersetzung verloren zu gehen, die Bedeutung verzerrt zu werden. Immer bleibt etwas ungewiss, ungeklärt, mystisch. Das hat auch schon Heidegger in seinem „Gespräch mit einem Japaner“ festgestellt, in dem er in einem langen Dialog zum Schluss kommt, dass eine wahre Verständigung zwischen dem Fernöstlichen und dem Abendländischen kaum möglich ist.
Und dann gibt es da noch das „Nichts“. Bei uns als nicht-interessant und inhaltsleer definiert, in Japan nicht nur ein Begriff, sondern ein erstrebenswerter Zustand „voller Leere“, der in meditativen Übungen sogar abgestrebt wird und im besten Fall zu einer Auflösung der Subjektivität führt.
Die Auflösung der Subjektivität gilt in unserer westlichen Welt irgendwie als wenig attraktiv. Man möchte ja schließlich immer jemand sein, sich abgrenzen.
Und nichts tun? Eher unmöglich in einer Welt, in der er erstrebenswert ist, immer produktiv zu sein, etwas zu leisten.
Und während wir immer alles wissen, alles sehen, alles erfahren wollen, gilt in Japan gerade das Transparente, Undurchsichtige, Uneindeutige als ästhetisch und erotisch.
Eine abschließende und meiner Meinung nach so schöne Erkenntnis: Das japanische und chinesische Wort für „Mensch“ setzt sich aus den beiden Schriftzeichen für „Zwischen“ und „Mensch“ zusammen. So schließen wir im Wort „Mensch“ gleichzeitig uns und den Anderen ein, genauer gesagt den Moment, den Raum, die Zeit zwischen Mensch und Mensch.
Ich glaube fest daran, dass wir in unserer heutigen Zeit genau dieses kollektive, gemeinschaftliche Verständnis brauchen. Uns nicht immer und nur nach uns selbst richten. Vorbei die Zeit des ewigen Dualismus, des Kampfes um eine Deutungshoheit, des Ichs im Vordergrund. Vielmehr macht es doch Sinn und Freude, von und miteinander zu lernen, sich zu beflügeln und gemeinsame, vielfältige Mythen und Erzählungen zu erschaffen.